Vive l’Europe! #25 - … wir erwarten uns mehr Respekt!

Vive l’Europe! #25 - … wir erwarten uns mehr Respekt!

... pričakujemo več spoštovanja!“ pravijo zaposleni podjetja Lieferando, ki se ukvarja z dostavo hrane iz restavracij na dom. Do sedaj je bilo podjetje Lieferando unikat v evropskem merilu, saj je pod okriljem kolektivne pogodbe zaposlovalo približno 1.000 sodelavcev - avtomobilskih in kolesarskih kurirjev. Sedaj pa v želji po večji konkurenčnosti prehaja na prekarne oblike zaposlitve, ki dostavljalcem ne nudijo možnosti bolniške odsotnosti in varnosti redne zaposlitve.

Für die „Driver“ vom Zustelldienst „Lieferando“ war es kürzlich ein großer Schock. Denn die österreichische Niederlassung des multinationalen Konzerns „Just Eat Takeaway“ beabsichtigt alle angestellten Fahrer_innen zu kündigen. Fast 1.000 Kollegen_innen sollen künftig wieder ohne Urlaub, Krankenstand oder Jobsicherheit arbeiten oder müssen ein eigenes Fahrzeug bereitstellen. Bisher hat der Kollektivvertrag für Fahrradboten Einkommenssicherheit und arbeitsrechtlichen Schutz garantiert – das will der Konzern offenbar nicht mehr zahlen, so Betriebsrat Simran Deep Sandhu, der dagegen kämpft, dass seine Kollegen_innen zukünftig wieder als „freie Dienstnehmer_innen“ unter prekären Bedingungen beschäftigt werden. Die zuständige Gewerkschaft „VIDA“ plant arbeitsrechtliche Vorkehrungen und wenn erforderlich auch Kündigungsanfechtungen. Kritik an der Bundesregierung, die an der Umsetzung der EU-Plattformenrichtlinie säumig wäre, übt der Vorsitzende der VIDA-Fachgruppe-Straße Markus Petritsch. Betriebsrat Louis Boyle forciert mittlerweile die Gründung eines EU-Betriebsrates, um direkt mit der Konzernleitung in Amsterdam zu verhandeln. Die Gewerkschafterin Lilia Zimmerberger bringt die Sorgen der Belegschaft auf den Punkt: „… den Lieferando-Arbeitnehmern muss jener Respekt entgegengebracht werden, den sie verdienen!“

Sie hatten gestern eine Betriebsversammlung mit den Kolleg_innen. Wie ist eigentlich so die Stimmung derzeit unter der Belegschaft, die ja quasi eine Kündigung angedroht bekommen hat?

Die Stimmung ist dementsprechend beschlagen. Die Leute sind, man kann sagen, entsetzt. Sie sind bestürzt. Für viele ist das ihre Lebensgrundlage. Und das äußert sich auch in Wut. Also die Betriebsräte im Moment unterstützen es, versuchen die Fahrer und uns untereinander auch so viel zu unterstützen wie möglich. Mein Kollege aus Graz, der an dem Standort Graz tätig ist als Betriebsrat, war gestern auch zur Unterstützung da.

Was ist eigentlich passiert? In den Medien hört man, dass rund 1.000 Beschäftigte, die dem aktuellen Kollektivvertrag unterliegen, gekündigt werden sollen. Was ist jetzt der aktuelle Stand, den Sie als Betriebsrat haben?

Wir sind im gleichen Boot wie jeder andere Fahrer. Wir sind letzte Woche ziemlich zeitgleich mit den Fahrern benachrichtigt worden, dass eben eine Betriebsschließung ansteht und mit folgenden Kündigungen. Wir versuchen uns im Moment selber zu orientieren, weil es war eine Überraschung für uns auch. Wir sind leider nicht in einem zeitlich angemessenen Rahmen benachrichtigt worden. Und wir versuchen uns einen Überblick über die Lage zu verschaffen.

Bevor Kündigungen ausgesprochen werden, gibt es in Österreich in der Arbeitsverfassung eine relativ strenge rechtliche Regelung, dass die Betriebsräte vorher informiert werden müssen. Offensichtlich ist das hier gar nicht eingehalten worden.

Die Betriebsräte müssen informiert werden, bevor die Kündigung ausgesprochen wird an den Mitarbeiter. In dem Fall wurde der Betriebsrat informiert, dass Kündigungen vorgesehen sind, diese Kündigungen wurden jedoch noch nicht ausgesprochen. Bevor die Kündigungen fix ausgesprochen werden, wird der Betriebsrat, hoffen wir, auf jeden Fall informiert. Denn wenn dies nicht geschieht, können wir diese sowieso rechtlich dann anfechten.

Also, wir nehmen mal an, dass der Kündigungsprozess recht konform passieren wird. Aber es gilt, eine allgemeine größere Frage zu klären, ob das überhaupt eine Betriebsschließung ist oder ein Betriebsübergang ist.

Genau, so wie der Kollege schon gesagt hat, es ist uns im Moment noch nicht klar, ob es sich hierbei um eine Betriebsschließung oder um einen Betriebsübergang handelt. Aber ab dem Moment, ab dem das feststeht, können wir auch mit weiteren Schritten dann vorgehen und von dem ausgehend, wenn es sich um eine Betriebsschließung handelt, sind Kündigungen fast unvermeidbar, während ein Betriebsübergang wieder rechtlich ein komplett anderer Fall ist.

Bei einem Betriebsübergang, in diesem Fall müssen wir davon ausgehen, dass sich Lieferando bzw. der Just Eat Konzern vor den Lohnnebenkosten sozusagen drücken will, genauso wie dem Kollektivvertrag und dessen rechtlichen Rahmen. Und dementsprechend handeln wir dann auch und werden das dann auf Bundesebene rechtlich mit Konsequenzen regeln.

Welche Motive verfolgt Ihre Konzernleitung hier strategisch aus Ihrer Sicht? Was haben Sie vor?

Also leider war das alles bis jetzt ein sehr intransparenter Prozess. Öffentlich geben sie die Betriebsschließung bekannt, mit folgenden Kündigungen der Fahrer. Aber wie wir uns jetzt im Laufe der letzten Zeit selber versuchten, ein Bild zu machen: Die operativen Schritte, die sie treffen, die sind komplett konträr zu ihrer Verkündung.

Das Konträre ist, dass jeder auf Lieferando.at gehen kann und dort sich heute als Fahrer bewerben kann, wo sie interessanterweise von April bis zur verkündeten Betriebsschließung im Ende Juni einen Lieferbonus anbieten. Also es gibt Stellenausschreibungen für Fahrer und es gibt Stellenausschreibungen für eine Angestellte für Österreich, für die Österreich-Führung. Und das gibt uns alles zusammen einfach ein bisschen ein widersprüchliches Bild.

Die Empfehlungen der Gewerkschaft in der momentanen, etwas undurchsichtigen, Situation lautet:

Was wir auf jeden Fall der Belegschaft raten, ist, keine Dokumente, welche ihnen momentan zu Hand gereicht werden, zu unterschreiben. Und wenn sie solche bekommen, damit zu ihrem Betriebsrat zu gehen oder zur „VIDA“ und den jeweiligen Gewerkschaftssekretären, welche dann natürlich dadurch, dass solche Dokumente ausgereicht werden, dann auch einen besseren Einblick in das Ganze bekommen und sich dann auch rechtlich abklären lassen, was nun wirklich der Fall ist.

Diese Problematik kann nicht nur an einem Standort, sondern muss eigentlich bundesweit geregelt werden, weil die beabsichtigten Kündigungen betreffen ja auch alle Beschäftigten in ganz Österreich. Kann man das vielleicht so formulieren?

Die derzeitige Problematik ist, dass dies kein bundeslandspezifisches Problem ist, sondern wirklich das Ganze jeden einzelnen Standort in Österreich betrifft, wo Lieferando-Fahrer-Arbeiter sind. Und dementsprechend wird dies auch auf Bundesebene geregelt.

Die Absicht der Standortleitung Österreichs ist vermutlich die, die derzeitigen günstigen Arbeitsbedingungen, die die Lieferando-Beschäftigten haben, im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag meine ich, dass sie diese Arbeitsverhältnisse wegbekommen, um sie dann wieder als freie Dienstnehmer anzustellen. Ist das nicht die Grundfrage, die Grundproblematik, vor der Sie als Betriebsrat stehen?

Also wenn - alle Indizien sprechen dafür - dass das vom Namen her eine Betriebsschließung ist, aber im Praktischen eigentlich eine Umgehung vom Kollektivvertrag und mit allen verbundenen Zusatzleistungen und Schutzmaßnahmen, die man unter einer richtigen Anstellung hat. Unserer Einschätzung nach und die einiger Arbeitsexperten in Österreich deutet eher in die Richtung.

Sie sind bemüht jetzt einen europäischen Betriebsrat zu gründen. Welche Vorteile hätte ein europäischer Betriebsrat?

Ein europäischer Betriebsrat hat den Hauptvorteil, dass Länder untereinander sich austauschen können und einfach besser untereinander organisiert sind. Was unsere aktuelle Situation in Österreich das auch mehr als genug verdeutlicht.

Louis Boyle ist Betriebsrat von Lieferando in Österreich am Standort in Graz und vertritt die Interessen von rund 130 Arbeitnehmer_innen. Er möchte einen europäischen Betriebsrat gründen, da die Probleme, die es derzeit in Österreich gibt, effektiver mit der Konzernleitung in Amsterdam verhandelt werden können.

It is incredibly important that companies, if they have the opportunity to found a European Works Council, make one. Because, you know, there are decisions that are made in the headquarters that even we as the National Works Council had no idea about. And these things can come as a surprise. If there was a European Works Council right now, theoretically, we would have known about it already. This wouldn't have been a surprise, this action or this decision from Amsterdam.

Es ist unglaublich wichtig, dass Unternehmen, wenn sie die Möglichkeit haben, einen Europäischen Betriebsrat zu gründen, dies auch tun. Denn wissen Sie: Es gibt Entscheidungen, die in der Zentrale getroffen werden, von denen selbst wir als Nationaler Betriebsrat keine Ahnung hatten. Und diese Dinge können uns überraschen. Wenn es jetzt einen Europäischen Betriebsrat gäbe, dann hätten wir theoretisch schon davon gewusst. Das wäre keine Überraschung gewesen, diese Aktion oder diese Entscheidung aus Amsterdam.

Welche Aktivitäten, um auch auf die Problematik aufmerksam zu machen, sind in nächster Zeit geplant?

Im Moment versuchen wir diese mediale Aufmerksamkeit, die wir bekommen haben, zu nutzen, nicht um irgendwie gegen den Konzern selber jetzt zu kämpfen, sondern darauf aufmerksam zu machen, dass das, was im Moment bei Lieferando passiert, bald auch anderen Konzernen passieren könnte, aufgrund eben der Thematik, dass Betriebe Einsparungen wollen - und das geschieht meistens als allererstes bei den Mitarbeitern.

Nun ist es in Österreich so, dass von den rund 5000 Fahrraddiensten, die es gibt, oder Beschäftigen in dieser Branche, nur 2000 dem Kollektivvertrag unterliegen. Alle anderen sind ja freie Dienstnehmer, Selbstständige, Scheinselbst-ständige, in prekären Arbeitsverhältnissen usw. Lieferando war eigentlich die Firma, die den Großteil der Angestellten von diesen 2000, also fast 1000, in einem regulären kollektivvertraglichen Dienstverhältnis hatte. Eigentlich müsste sich der Protest gegen jene richten, die nicht den Kollektivvertrag anwenden. Die Frage an den Betriebsrat, wie sehen Sie das?

Ja, wir machen auf die Thematik schon seit längerem aufmerksam, dass eben sowas wie jetzt passieren kann, wenn man Scheinselbstständigkeit zulässt. Und die Firma argumentiert natürlich auch ihre Betriebsschließung mit dem Wettbewerbsnachteil, den sie gegenüber den anderen Lieferdiensten, den sie in Österreich haben.

Müsste man nicht den Protest eigentlich an jene Firmen richten, die sich jetzt schon nicht an den Kollektivvertrag halten?

Für uns ist es im Moment sehr wichtig, dass es den Personen, welche gerade bei Lieferando arbeiten, gut geht und dass sie durch diesen Prozess jetzt begleitet werden. Protestaktionen zu planen gegen andere Konzerne, welche schon das System mit den freien Dienstnehmern nutzen, halten wir im Moment einfach nicht für sinnführend.

An dieser Stelle der Kommentar von Markus Petritsch, Fachbereichsvorsitzender-Straße bei der Gewerkschaft „VIDA“. Er richtet einen Appell an die österreichische Bundesregierung betreffend die Umsetzung der EU-Plattformrichtline, damit prekäre Beschäftigung und Scheinselbstständigkeit verhindert werden.

Die aktuelle Bundesregierung müsste rasch die im Herbst des Vorjahres beschlossene EU-Plattform-Richtlinie umsetzen und in nationales Recht gießen. Die Richtlinie soll Scheinselbstständigkeit bei Essens- oder Paketzustellern einen Riegel vorschieben und dadurch das Geschäftsmodell erschweren. Konkret muss der Auftraggeber und nicht die bisher der Dienstnehmer nachweisen, dass Selbstständigkeit vorliegt.

Die Plattformen setzen auf ein Geschäftsmodell, das auf klarer Ausbeutung beruht. Tech-Konzerne würden nationale Arbeitsstandards einfach aushebeln. Die alte Regierung habe hier versagt. Sie hat die Umsetzung auf die lange Bank geschoben und somit sind freie Dienstnehmer nicht wirklich frei, sondern von den Plattformen abhängig und hätten keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Eine abschließende Botschaft, ein Appell, ein Gedanke, den Sie an die Hörer und Hörerinnen richten würden, lautet wie?

Für mich ist es wichtig noch einmal zu betonen, dass die Lieferando-Fahrer genauso Arbeitnehmer sind wie Sie und ich und demnach auch unter Rahmenbedingungen arbeiten sollten, welche ihnen die Arbeitswelt erleichtern und angenehmer machen.  Lieferando-Fahrer, wie einige von uns wissen, fahren bei jedem Wetter unter allen möglichen Bedingungen, um dafür zu sorgen, dass Menschen zu Hause ihr Essen geliefert bekommen. Und das macht sie nicht weniger wert als alle anderen Arbeitnehmer draußen am Arbeitsmarkt. Und daher wollen wir einfach, dass diesen Arbeitnehmern nun auch der Respekt entgegenkommt, den sie verdienen.

Prinzipiell - ich glaube, wir wollen alle das Gleiche, und zwar, dass es einem selbst in der Arbeit gut geht und auch, dass es den anderen in der Arbeit gut geht. Und das, was gerade passiert, ist respektlos gegenüber den Arbeitern. Und am Ende des Tages wollen wir wirklich, dass es jedem in der Arbeit gut geht und dass jeder unter humanen Arbeitsbedingungen arbeiten kann. Und das bedeutet, dass sich dieser Be-trieb an einen Kollektivvertrag halten sollte, da dieser dafür sorgt, dass diese Arbeitsbedingungen zustande kommen.

Eine Stellungnahme der Standortleitung von Lieferando-Österreich konnten wir auf Anfrage bis Redaktionsschluss nicht erhalten.

Med delavci vlada kislo razpoloženje. So zgroženi in jezni, pravi član sveta delavcev pri Lieferandu Simran Deep Sandhu.Tako Sandhu kot Lilia Zimmerberger iz sindikata VIDA se strinjata, da je najprej potrebno razjasniti, ali gre za zaprtje ali prenos podjetja. Menita, da je nekoliko protislovno, da naj bi podjetje zapirali, na spletu pa Lieferando še vedno objavlja oglase, da išče voznike.

Če pogledamo vse dokaze, se zdi, da gre za zaprtje podjetja, v praksi pa gre dejansko za izogibanje kolektivni pogodbi in vsem dodatnim ugodnostim in zaščiti, ki izhajajo iz takšne zaposlitve, pojasni Sandhu. Problem je, da se trenutna situacija ne nanaša na posamezno zvezno deželo, ampak vpliva na vse lokacije podjetja Lieferando v Avstriji, še doda.

Markus Petritsch pa si prizadeva za ustanovitev evropskega sveta delavcev, da lahko zaposleni čezmejno izmenjujejo informacije in se bolje organizirajo. Petritsch poziva tudi druga podjetja, da ustanovijo evropski svet delavcev, če le imajo možnost. Na sedežu podjetja se namreč sprejemajo odločitve, o katerih niti mi kot državni svet delavcev nismo imeli pojma, pravi Petritsch. Sedanja zvezna vlada bi morala hitro uvesti direktivo EU o platformah, ki je bila sprejeta lani jeseni, in jo vključiti v nacionalno zakonodajo. Namen direktive je ustaviti navidezno samozaposlovanje med ponudniki storitev dostave hrane in paketov ter tako otežiti ta poslovni model, ki do delavcev ni pošten.

Zimmerberger pa poudari, da vozniki Lieferanda vozijo v vsakem vremenu, da bi ljudem dostavili hrano. In niso nič manj dragoceni kot vsi drugi delavci na trgu dela. Želijo si isto kot vsi drugi zaposleni - da bi se dobro počutili pri delu. To, kar se dogaja zdaj, pa je nespoštljivo do delavcev, zaključi Lilia Zimmerberger.

 

Kurzbiografien der Gesprächspartner

Lilia Zimmerberger ist seit Dezember 2024 in der Gewerkschaft „vida“ für die Fachbereiche Tourismus, Dienstleister und für die Betreuung der Fahrradboten zuständig.

Simran Deep Sandhu ist seit dem Frühjahr 2023 freigestellter Betriebsrat bei Lieferando am Standort in Klagenfurt /Celovec. 

Louis Boyle ist Betriebsrat am Standort in Graz und vertritt die Interessen von rund 130 Arbeitnehmer_innen - er versucht einen europäischen Betriebsrat zu gründen. 

Markus Petritsch ist Fachbereichsvorsitzender-Straße bei der Gewerkschaft „vida“ und richtet einen Appell an die österreichische Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Plattformrichtline.