Markus Marterbauer (Foto: D. Wajand / RI Kärnten)

Markus Marterbauer (Foto: D. Wajand / RI Kärnten)

Die Demokratie ist massiv gefährdet: Denkanstöße für optimistische Perspektiven

Spodbude za optimistične perspektive, ko je demokracija pod velikim pritiskom

Nach corona- und krisenbedingter mehrjähriger Pause fand am 10. Jänner in Klagenfurt wieder der traditionelle Neujahrsempfang des Kärntner Renner Instituts statt. Rund 400 Gäste folgten der Einladung in den Lakeside Park, um sich über das politische und gesellschaftliche Jahr 2025 auszutauschen. Einen bewusst nicht (ausschließlich) pessimistischen Blick warf Markus Marterbauer, Vizepräsident des österreichischen Fiskalrates auf aktuelle gesellschaftliche Phänomene und mögliche Perspektiven.

Als wichtigste Instrumente einer Krisenbewältigung nannte Marterbauer Sachlichkeit, Faktenbasierung, den Austausch von Argumenten und das Hören vieler Meinungen. Denn, die Demokratie - eine der größten zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts - sei massiv gefährdet und müsste, wie die soziale Sicherheit, verteidigt und gefestigt werden.

Visoka inflacija, naraščajoča brezposelnost in vse večji proračunski primanjkljaj na eni strani ter vzpon desnega radikalizma in ogrožanje demokratičnih institucij na drugi. To so izzivi, s katerimi se sooča današnja Avstrija. A podpredsednik fiskalnega sveta Markus Marterbauer kljub temu ostaja zmerno optimističen. Na novoletnem sprejemu koroškega Rennerjevega inštituta je analiziral, kako lahko s kombinacijo strokovnega pristopa, demokratičnega dialoga in ciljno usmerjene gospodarske politike prebrodimo trenutne krize. Pri tem se je posebej osredotočil na vlogo socialnega sistema in pomen neodvisnih institucij.

Wenn man die wirtschaftliche und politische Lage im Moment betrachtet könnte man zum Pessimisten werden. In Österreich ist die wirtschaftliche Situation außerordentlich schlecht. Wir haben zwei Jahre der Rezession bereits hinter uns und das Wirtschaftsforschungsinstitut hat in seiner Dezemberprognose angekündigt, wenn die Wirtschaftspolitik auf Bundesebene jetzt die falschen Entscheidungen trifft, dann droht das dritte Jahr des Rückgangs der Wirtschaftsleistungen Österreichs. Wir haben eine ausgesprochen hohe Teuerung in den letzten Jahren erlebt. 27 Monate lang war die österreichische Inflationsrate über jener des Euro-Raumdurchschnitts und zwar im Durchschnitt um 1,5 Prozentpunkte. Wir hatten noch nie so hohe Teuerungen in Relation zu den anderen Ländern, zu unseren Handelspartnern, wie in dieser Krise. Wir haben jetzt das 18. Monat steigender Arbeitslosigkeit und zwar massiv steigender Arbeitslosigkeit hinter uns, ohne dass man den Eindruck hat, die Wirtschaftspolitik, der würde es besonders auffallen oder sie würde sich besonders darum kümmern. Wir haben ein sehr hohes Budgetdefizit in Österreich, das jetzt in aller Munde ist und der Fiskalrat prognostiziert, dass in den nächsten Jahren die Staatsschuld massiv steigen wird, wenn nicht gegengesteuert wird. 

Auf der internationalen Ebene ist es nicht viel besser. Die Bedrohungen sind ausordentlich groß, wenn ich an den Kriegstreiber Vladimir Putin denke, wo man nicht weiß, wo die Grenzen sind. Wenn ich daran denke, dass in zehn Tagen in den USA ein Präsident angelobt wird, über den man sagen kann, naja, unvorhersagbar, was passieren wird, ist vielleicht noch die vorsichtigste und zurückhaltendste Beurteilung. Wenn man sich in Europa anschaut, wo in vielen Ländern rechtsradikale Parteien immer stärker werden und die Demokratie bedrohen, so könnte man eben zum Pessimisten werden.

Das hat alles enorm starke wirtschaftliche Aussichten, weil es zu Unsicherheit, zu Angst führt. Und wir merken das in Österreich schon stark. Die privaten Haushalte sind ganz stark von Angstsparen geprägt. Die Sparquote steigt massiv an. Die Leute geben das Geld nicht aus, weil sie nicht wissen, was droht in Bezug auf Arbeitslosigkeit oder politische Umstände. Unternehmen halten Investitionen zurück, weil es sich schlecht planen lässt in einer Situation, wo rundherum alle möglichen Widrigkeiten auftauchen. Es führt dazu, dass die wirtschaftliche Erholung eigentlich gar nicht absehbar ist.

Markus Marterbauer, Vizepräsident des österreichischen Fiskalrates, räumt in seiner Rede beim Kärntner Renner Institut ein, dass es zur aktuellen wirtschaftlichen und politische Lage durchaus Grund zur Sorge gibt. Dennoch plädiert er für einen differenzierten Blick, warnt vor übermäßigem Pessimismus und entwirft einige Szenarien, die zur Krisenbewältigung beitragen könnten.

Viel besser ist es, sich zu überlegen, wie man denn aus vergangenen Krisen herausgekommen ist und was so Umstände sind, die helfen, dass ein Land oder ein Kontinent oder vielleicht auch eine Region aus den Krisen herauskommen kann. Und wenn man in die Vergangenheit schaut, wir hatten ja keinen Mangel an Krisen in der Vergangenheit und wenn man sich ein bisschen anschaut, wie diese Krisen bewältigt werden konnten – ich möchte vielleicht nur zwei herausgreifen.

Im Jahr 2007, 2008, 2009 hatten wir weltweit, aber vor allem in Europa, diese schwere Finanzkrise, die wirklich am Rande zu einer Weltwirtschaftskrise fast wie in den 30er Jahren war. Und trotz aller Fehler, die da auch auf europäischer Ebene gemacht wurden, möchte ich dennoch sagen, dass sich Europa bewiesen hat in dieser Finanzkrise und das gezeigt wurde, wenn man zusammensteht, versucht gemeinsame Lösungen zu finden, dass dann solche enormen Krisen auch bewältigt werden können. Ich möchte an die Rede vom damaligen Zentralbankpräsidenten Mario Draghi erinnern. Whatever it takes wollen wir Europa retten. Was immer sozusagen notwendig ist, wir werden das gemeinsam machen und es ist schlussendlich mit vielen Kosten auch gelungen und sogar noch weitergehend, wenn man dann daran denkt, dass die darauffolgende Europäische Kommission, die erste Van der Leyen-Kommission, dass das der nicht nur gelungen ist, Europa zusammenzuhalten, sondern auch das vielleicht wichtigste Thema, die vielleicht wichtigste Gefährdung der Menschheit anzusprechen, nämlich in Europa aktiv etwas gegen die Klimakrise zu machen, massiv zu investieren gegen die Klimakrise, CO2-Steuern einzuführen, alle Dinge, die vielleicht als Einzelmaßnahmen durchaus auch unangenehm sein können, aber ein Konzept zu entwickeln, wie man die zentralen Themen und Herausforderungen angeht, dann glaube ich, dass man daran sozusagen ein Beispiel finden kann, zu schauen, wie ist die Faktenlage, was sind die möglichen Instrumente, um den Problemen zu begegnen und gemeinsam das umzulegen.

Nach dem Beispiel der Finanzkrise 2008 wendet sich der Wirtschaftsexperte der jüngeren Geschichte Kärntens zu. Er erinnert an die schwierige Situation des Bundeslandes vor etwa zehn Jahren und zeigt auf, wie der Weg aus der Krise gelungen ist.

Ich erinnere mich recht gut an den Anfang der 2010er Jahre, wo Kärnten eigentlich, ich würde es aus Wiener Sicht einmal sagen, bankrott war. Wir hatten die Situation, dass die Staatsschulden, dass die Landesschulden in kürzester Zeit massiv gestiegen sind, nach dem Hypo-Alpe-Adria-Debakel. Wir hatten die Situation, dass das Land riesige Haftungen übernommen hat, umgedeckte Schecks eigentlich ausgestellt hat. Wir hatten die Situation, dass die Beschäftigungsentwicklung in Kärnten eine der schlechtesten in ganz Österreich war, dass die Einkommensentwicklung sehr schwach war und zurückgeblieben ist. Kärnten war ein bisschen das Armenhaus Österreichs, könnte man fast sagen. Und innerhalb von zehn Jahren ist es mit vielen Schwierigkeiten und auch mit vielen Rückschlägen aber gelungen, das Land wieder auf Vordermann zu bringen. Das betrifft nicht nur die Landesschulden, die systematisch und in wirklich Kleinarbeit und bewundernswerter Anstrengung zurückgeführt werden konnten. Die Haftungen praktisch wegzubringen, den Landeshaushalt also zu konsolidieren, sondern, und das ist ja viel wichtiger dabei, nicht zu vergessen, bei dieser Konsolidierung in die Zukunft zu investieren gleichzeitig, obwohl wenig Geld da war. Und das ist Kärnten in außerordentlicher Weise gelungen. Kärnten war vor gut zehn Jahren ein Land, das primär durch den Tourismus geprägt war. Es wurde sehr rasch zu einem Industrieland und das hat nicht nur mit Infineon zu tun, sondern mit ganz vielen Betrieben, die rundherum waren. 

Und Kärnten ist auf dem guten Weg – die Location, wo wir heute sind, beweist es – in jenem Bereich der Wirtschaft zur Spitzenposition zu gehören, die die Zukunft prägen wird, nämlich in der Wissensgesellschaft, in Investitionen, in Innovation, in Wissen, in Ausbildung, in Weiterbildung, in Qualifizierung. Also offensichtlich geht es, auf den verschiedensten Ebenen selbst, die wirklich großen Krisen zu bewältigen, wenn man ein paar Grundsätze und ein paar Zielorientierungen und zentrale Weichenstellungen vornimmt.

Nach den positiven Beispielen der Krisenbewältigung - sowohl auf europäischer als auch auf Kärntner Ebene - analysiert Marterbauer die grundlegenden Faktoren, die für eine erfolgreiche Überwindung von Krisen entscheidend sind. Demokratische Grundprinzipien wie Sachlichkeit, Partizipation und gemeinsame Lösungen finden, werden als zentrale Punkte angesprochen.

Das erste mag vielleicht ganz banal klingen, aber in vielen Ländern wäre es dennoch ein großer Fortschritt, wenn das gelingt. Sachlichkeit, Argumente, Abwägen, Faktenbasierung. Möglichst viele Leute einmal zu Wort kommen lassen und zu überlegen, was sind denn Lösungen, die man gemeinsam suchen kann. Das klingt wirklich banal, aber das ist das Gegenteil dessen, was in vielen Ländern passiert, wo sich die Stärksten durchsetzen, auf dem Tisch gehauen wird, irgendwas gemacht wird, ohne viel zu überlegen und die Konsequenzen tragen ohnehin die anderen. Also diese Sachlichkeit, Faktenorientierung scheint mir ein zentraler Punkt zu sein. Auf die Interessen von vielen einzugehen und die auch einzubinden und zu schauen, wie man gemeinsam zu gemeinsamen Lösungen kommen kann, das könnte man auch größer benennen. 

Nämlich das ist Demokratie. Leute einzubeziehen, allen eine Stimme zu geben, die Stimme von allen zu hören und auch zu schauen, dass niemand zurückgelassen wird, das ist Demokratie und es scheint uns so sicher, dass wir in einem demokratischen System leben und ohnehin nichts passieren kann, aber dem ist bei weitem nicht so. Die Demokratie ist massiv gefährdet in Österreich und Europa.

Demokratiegefährdung I: Ignoranz gegenüber benachteiligten Gruppen

Als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit sieht der Wirtschaftsexperte die zunehmende Gefährdung der Demokratie. Mit Blick auf das Nachbarland Ungarn warnt Marterbauer vor einer schleichenden Aushöhlung demokratischer Strukturen.

Aber die Demokratie ist in vielfacher Hinsicht darüber hinaus gefährdet, wenn ich nur daran denke, dass auch in Österreich wir durchaus Probleme in der Repräsentativität der Demokratie haben. Der Demokratiemonitor des SORA, das heißt jetzt FORSITE-Instituts hat im Dezember folgendes Ergebnis gehabt, dass gerade in den unteren Einkommensbereichen die Menschen das Gefühl haben, die Demokratie, die Politik kümmert sich ohnehin nicht um mich. Und, was ist die Folge: Sie gehen nicht wählen. Bei den letzten Nationalratswahlen war die Wahlbeteiligung im unteren Einkommensdrittel nur ungefähr 60 Prozent. Das ist ein Problem für die Demokratie, weil ein Teil der Bevölkerung nicht teilnimmt, weil sie sich nichts erhoffen. Es geht auch viel weiter. Wir haben gerade im unteren Einkommensdrittel ganz viele Leute, die hier seit Jahren leben, ihre Kinder hier aufziehen, hier Steuern zahlen, aber gar nicht wählen dürfen, weil die Hürden zur Staatsbürgerschaft so hoch sind. Und auch hier fragt man sich, ist die Demokratie repräsentativ? Bei der Gründung der Demokratie in den USA gab es den Satz, „no taxation without representation“ - also wir zahlen keine Steuern, wenn wir nicht mitbestimmen können an unserem täglichen Leben. Und viele Leute jetzt zahlen hier Steuern und können gar nicht mitbestimmen.

Nach der mangelnden politischen Teilhabe der einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen spricht Marterbauer eine weitere Gefahr für die Demokratie an - den überproportionalen Einfluss der Superreichen auf politische Entscheidungsprozesse.

Ich meine, ich muss jetzt nicht den Namen Elon Musk erwähnen, wo gezeigt wird, dass mit Riesenspenden politische Entscheidungen herbeigeführt werden können, die dann der Person, die viel spendet, wirtschaftlich zugutekommt und wo die Milliardärinnen die Politik bestimmen. Auch in Österreich könnte man viele Beispiele dafür finden, nicht zuletzt ein Beispiel eines Milliardärs der gerade in Konkurs gegangen ist, aber trotzdem große Jagdausflüge macht und versucht hat, massiv auch Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen, weit außerhalb der Repräsentativität der Demokratie. 

Die Demokratie ist eines der wichtigsten Freiheitsversprechen, das es gibt in unserer Gesellschaft, mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen. Demokratie bedeutet Freiheit und ist die vielleicht größte zivilisatorische Errungenschaft des 20. Jahrhunderts und müsste heute verteidigt werden. Ich möchte auf eine zweite Errungenschaft kurz eingehen, vielleicht gleichrangig mit der Demokratie im 20. Jahrhundert und das ist die soziale Sicherheit.

Im 20. Jahrhundert wurde in Österreich ein Sozialstaat aufgebaut, der seinesgleichen sucht und der keinen Vergleich scheuen muss mit anderen Ländern. Wir haben ein soziales Sicherungssystem, das im Fall von Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und so weiter eine gute Absicherung gibt, aber dass im Moment massiv gefährdet ist. Nicht nur deshalb, weil die Gesellschaft älter wird und das Sozialsystem deshalb notgedrungen teurer wird, sondern auch, weil jetzt die Debatte darüber beginnt, wie man denn im Sozialstaat sparen kann. Ob nicht im Gesundheitssystem manche Dinge an Private ausgelagert werden könnte. Aber da ist eben ein entscheidender Unterschied zwischen einem öffentlichen sozialstaatlichen System und einem privaten System. Beim privaten System zählt, wer wie viel Geld hat, bedeutet, wie gut ist die Qualität der Gesundheitsversorgung oder auch der Pflegeversorgung, während im öffentlichen System jeder und jede die gleichen Rechte hat.

Der Vizepräsident des Fiskalrates wendet sich in seiner Analyse nun den wirtschaftlichen Auswirkungen eines funktionierenden Sozialstaats zu. Dabei zeigt er den direkten Zusammenhang zwischen sozialer Sicherheit und Konsumverhalten auf.

Nun genau, der Sozialstaat hat diesen Zweck gehabt, dieses Angstsparen zu verhindern in der Krise. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt in der Krise und die Leute, die vielleicht selber nur einen Job haben, sehen rundherum, die Leute werden arbeitslos, was tun sie, wenn sie keine soziale Absicherung haben? Sie beginnen selber ein bisschen mehr zurückzulegen. Es kann ja auch mich treffen. Aber wenn alle ein bisschen mehr zurücklegen, dann bedeutet es, die Konsumnachfrage geht zurück, die Aufträge bei den kleinen Gewerbebetrieben, bei den kleinen Dienstleistern gehen zurück, die Produktion geht zurück, die Beschäftigung sinkt und die Leute werden deshalb arbeitslos, weil sie Angst davor hatten, arbeitslos zu werden und deshalb mehr gespart haben. Der Sozialstaat hat versucht, dem entgegenzuwirken, den Leuten Sicherheit zu geben und war ein zentrales Element des wirtschaftlichen Erfolgs in Österreich.

Wenn man Demokratie und Sozialstaat verteidigen, aufrechterhalten, ausbauen will, dann geht es darum, dass wir ein funktionsfähiges Institutionensystem brauchen. Und Institutionen, das kann ganz viel sein, das kann die Sozialversicherung sein, es kann der Kollektivvertrag sein, der den Menschen gute Arbeitsbedingungen, gutes Einkommen sichert. Institutionen einer Demokratie müssen aber weit darüber hinausgehend betrachtet werden. Eine Institution, die Demokratie sichert, sind unabhängige Medien. Und deshalb wird es ganz interessant sein zu beobachten, was denn jetzt zum Beispiel mit dem ORF passiert. In anderen Ländern, wo die Demokratie beiseite geschoben wurde, wurde der unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk als erstes unter Kontrolle gebracht. Und das wird eine der entscheidenden Auseinandersetzungen auch für die Demokratie sein, dass es gelingt, unabhängige Medien, vor allem unabhängige öffentlich-rechtliche Medien zu erhalten. Institutionen, die entscheidend für die Sicherheit sind, aber auch entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung, gibt es ganz viele.

Mir fallen als nächstes die Gemeinden und Städte ein, die so viel vom Sozialstaat tragen. Vom Kindergarten über die Pflege bis zur Infrastruktur, auch im Klimabereich eine ganz zentrale Rolle spielen. Klimapolitik muss nämlich primär bedeuten, dass die Leute die negativen Auswirkungen der Erderwärmung nicht so stark spüren. Also Klimapolitik in den Städten bedeutet, die Städte abzukühlen, damit man dort gut leben kann. Klimapolitik am Land bedeutet, Maßnahmen zu treffen, dass keine Überschwemmungen sind oder sonstige Extremwetterereignisse unter den Leuten leiden. Und das ist ganz vielfach die Aufgabe von Gemeinden und Städten.

Wir stehen vor einem Riesenproblem in der Finanzierung der Gemeinden, die oft diese Leistungen überhaupt nicht erbringen und mehr erbringen können. Was bedeutet das, wenn die Gemeinden diese Aufgaben nicht mehr erfüllen können? Na wieder, dass das Leben der Menschen schlechter wird, dass der Wohlstand sinkt, aber natürlich auch, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlechter werden für die Betriebe, die halt in diesen Gemeinden sind und darunter leiden, dass die öffentliche Hand immer weniger Geld hat.

Im letzten Teil seiner Rede beim Kärntner Renner Institut verbindet Markus Marterbauer die Rolle der Politik mit den wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven. Am Beispiel der erfolgreichen Transformation Kärntens vom Tourismus- zum Industriestandort erläutert er die Bedeutung verantwortungsvoller Politik für eine zukunftsorientierte Industriepolitik.

Die Industrie hat bei uns einen Anteil an der Wertschöpfung von ungefähr 20 Prozent. Vor uns liegen – gleich auf mit uns liegen Deutschland, aber auch andere Länder wie Tschechien, die Slowakei mit ein paar Prozentpunkten mehr. Das älteste Industrieland wie England hat heute einen Industrieanteil von 8-9% an der Wertschöpfung. Warum ist die Industrie so wichtig? Nicht nur weil sie tolle Produkte herstellt, die zum Wohlstand beitragen. Für uns aus Arbeitnehmerinnensicht aber auch, weil es gute Löhne zahlen, weil es gute Arbeitsbedingungen haben, weil es relativ niedrige Arbeitszeiten haben. Und jetzt ist die Frage, wie steht denn der österreichische Industriestandort da? Es gibt eine Riesendebatte über die Frage der Deindustrialisierung. Und ich möchte zunächst sagen: wieder sollte man sich dieser Frage faktenbasiert nähern.

Also Österreich hat einen Industrieanteil von ungefähr 20 Prozent und in den letzten, sagen wir 25 Jahren, seit dem Jahr 2000, wenn man sich die Entwicklung der Industrieproduktion anschaut. Wenn ich die Industriellenvereinigungsvertreter oft höre - den Präsidenten - hat man den Eindruck, die Industrieproduktion muss irgendwie dramatisch gesunken sein, Deindustrialisierung, sagt er. Die österreichische Industrieproduktion ist seit dem Jahr 2000 um 75 Prozent gestiegen. Man kann jetzt sagen, nicht schlecht. Im Durchschnitt um knapp drei Prozent pro Jahr. Im Vergleich mit anderen Ländern: in Deutschland ist sie um 15 Prozent gestiegen. Da sind Welten dazwischen. Österreich ist ein sehr erfolgreiches Industrieland, aber wir haben natürlich jede Menge Herausforderungen. Energiekosten, stark steigende Lohnkosten und so weiter und so weiter. Aber auf einer guten Basis, die wir haben, lässt sie sich gut aufbauen, diese Herausforderungen anzugehen. Was wären dazu zentrale Punkte?

 

Der erste Punkt wäre wohl, die Industrie muss in die Lage versetzt werden, die Herausforderungen, die im Zuge der Klimakrise auf sie zukommen, erfolgreich zu bewältigen. Das eine ist, treibhausgasneutral zu werden. Das sind viele, ich bin im Zug über die Obersteiermark hierhergefahren, wie man weiß, was die Voest investiert im Moment, um mit Elektrolichtbögen den Stall zu erzeugen. Also ganz viele Anstrengungen, das zu tun, aber vor allem ganz viele Chancen auch, weil die Industriebereiche, die an der technologischen Front sind, die die Besten sind und das sind die österreichischen Betriebe, haben natürlich die größten Chancen im Zuge eines grünen Re-Industrialisierungsprozesses auch erfolgreich zu sein. Die Besten werden sich am leichtesten tun. Man sollte selbst den Firmen helfen, möglichst voranzuschreiten. Wir wollen in die 2050er Jahre mit unserer Industrie und nicht zurück in die 1950er Jahre, indem wir den Verbrenner beschwören und ähnliche Dinge, die nur rückwärts gewandt sind. Wir müssen nach vorne schauen und unsere Industriebetriebe haben die besten Voraussetzungen. 

Nach der Analyse der industriellen Entwicklung Österreichs wendet sich der Wirtschaftsexperte den konkreten Standortfaktoren zu. Dabei hebt er besonders die Bedeutung einer kostengünstigen Energieversorgung für die Zukunft des Industriestandorts hervor.

Und schon wieder sind wir bei der Politik, die was tun kann für billigen Strom. Die Malta-Region ist nicht so weit weg, die Pumpen-Speicherkraftwerke, ich weiß gar nicht wann die errichtet wurden, sind ein Vorzeigebeispiel, von dem wir heute enorm profitieren, weil es eine Cash-Cow sein wird und enorm erfolgreich ist in der Bereitstellung von billigem Strom. Wir brauchen viel mehr Pumpspeicherkraftwerke und es müsste jetzt massiv investiert werden in diesem Bereich. Ich weiß gar nicht, wie das Projekt in der Chor-Alm das einmal war, wie weit das vorgeschritten ist. Viel mehr muss in dem Bereich investiert werden, um den Haushalten und der Industrie billigen Strom zur Verfügung zu stellen. Wir brauchen einen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mit kritischem Blick auf die jüngste Kärntner Volksbefragung zur Windenergie spricht Marterbauer die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichen Notwendigkeiten und politischen Entscheidungen an. Der Ökonom, selbst naturverbunden, plädiert dabei für einen pragmatischen Zugang zur Energiewende.

Vorausschauende Wirtschaftspolitik, Industriepolitik muss vor allem in Ausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung investieren. Es beginnt beim zweiten Kindergartenjahr, es geht in Richtung bessere Versorgung mit Deutschkursen in den Schulen, mehr Schulautonomie, es geht in Richtung Ausbau der Fachhochschulen, es geht in Richtung mehr Forschung und so weiter. Das sind die zentralen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wirtschaft und wer dort investiert, der wird langfristig auch erfolgreich sein, eine Aufgabe für die Politik. 

Ich habe es am Anfang gesagt, wenn man die wirtschaftliche und politische Lage anschaut, könnte man zum Pessimisten werden. Aber wenn man daran denkt, was eigentlich alles möglich ist, wenn man auf Sachlichkeit, Faktenbasierung, Politik aufbaut, wenn man sich dessen bewusst ist, dass eine gute Wirtschafts- und Sozialpolitik die Voraussetzung für Demokratie ist und dafür sorgt, dass sich alle Menschen beteiligen können und dafür sorgen können, auf die eigenen Rechte zu schauen, aber auch auf die Rechte der anderen und solidarisch Politik zu machen, wenn man daran denkt, dass der Sozialstaat uns so viel genutzt hat über Jahrzehnte und dringend im Bereich der Kinderbildung, der Pflege, auch des leistbaren Wohnens ausgebaut werden muss, wenn man daran denkt, dass es wichtig ist, Institutionen von den Gemeinden bis zum ORF zu verteidigen, in ihrer Funktionsfähigkeit für die Gesellschaft des Landes, wenn man daran denkt, dass eben Industriepolitik darin besteht, wirklich die Rahmenbedingungen des Standorts zu verbessern und nicht nur über zu hohe Löhne zu reden. Wenn man daran denkt, dass Investitionen in die Zukunft, in die Kinder vor allem, kein Kind bleibt zurück, in alle Kinder zu investieren, dann sieht man, dass solche Dinge eigentlich möglich sind und dass man erfolgreich sein kann. Und wenn man das weiß, dann braucht man es ja nur umsetzen. Und das macht mich schlussendlich dann doch zum Optimisten.

Tako je na novoletnem sprejemu koroškega Rennerjevega inštituta spregovoril podpredsednik avstrijskega fiskalnega sveta Markus Marterbauer. Čeprav bi lahko postali pesimisti, je prepričan, da obstajajo rešitve - če le znamo pravilno pristopiti h krizam.

Das war ein Auszug aus dem Vortrag von Markus Marterbauer, Vizepräsident des österreichischen Fiskalrates, beim traditionellen Neujahrsempfang des Kärntner Renner Instituts am 10. Jänner im Lakeside Park in Klagenfurt. Vor rund 400 Gästen analysierte er die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen mit Blick auf das Jahres 2025. Er plädierte für einen faktenbasierten, lösungsorientierten Zugang zu den aktuellen Krisen die mit optimistischen Perspektiven auch gelöst werden können.

Dr. Markus Marterbauer ist Vizepräsident des österreichischen Fiskalrates und seit 2011 Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien. Er ist als Experte im Budgetausschuss des österreichischen Nationalrates nominiert und Mitglied im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen. Seine Buch: „Angst und Angstmacherei. Für eine Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht“ – wurde gemeinsam mit Martin Schürz 2022 veröffentlicht.

Foto: D. Wajand / RI Kärnten