(c) J. Jerney

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Braucht Europa eine gemeinsame Armee?

Europa ist bereits jetzt militärisch gut gerüstet. Ein zusätzliches Wettrüsten, oder eine atomare Aufrüstung, hätte fatale Konsequenzen. Es benötige vielmehr eine aktive Friedenspolitik und eines Konzeptes der „strukturellen Nicht-Angriffsfähigkeit“, so die Ökologin Dr.in Jacqueline JERNEY die sich im Vorstand von Attac Österreich engagiert. Auf die Frage, braucht Europa eine gemeinsame Armee, meint Sie, …

 

… unsere Position ist Nein. Ein Wettrüsten bis hin zur atomaren Aufrüstung hätte fatale Folgen und löst Konfliktursachen nicht. Russlands seit über drei Jahren anhaltender Angriff auf die Ukraine und der eskalierende Nahostkonflikt stehen im Zeichen einer erodierenden Weltordnung. Die geopolitischen Konflikte sind von der Gier nach schwindenden Rohstoffen in einem vom Wachstumszwang dominierten System geprägt.

Als Modell für Sicherheit in Europa hat die nicht nur formal-defensive NATO ausgedehnt, nicht erst seit Donald Trump. Diese Dynamik erfordert neue Antworten für unseren Wirtschaften und für eine aktive Sicherheits- und Friedenspolitik. Eine offensive militärische Aufrüstung und die Debatte um eine gemeinsame europäische Armee gehören nicht dazu.

Europa ist bereits jetzt in allen konventionellen Waffengattungen deutlich besser gerüstet als es Russland ist. Ein Wettrüsten bis hin zur atomaren Aufrüstung hätte fatale Konsequenzen und würde außerdem die Ursachen von Konflikten nicht lösen. Um Frieden zu schaffen und zu bewahren, benötigt Europa ein Konzept, bei dem die militärischen Strukturen so gestaltet sind, dass sie für Verteidigungszwecke geeignete Waffensysteme ermöglicht, aber keine offensive Bedrohung für andere Staaten darstellen. Das würde zur Deeskalation und zur Vermeidung von Wettrüsten beitragen.

Das Konzept dafür heißt strukturelle Nicht-Angriffsfähigkeit. Es umfasst neben einer defensiven Militärstrategie, der Beschränkung von Offensivwaffen für großräumige Angriffe und Koordination in Sicherheitsfragen vor allem eine aktive Friedenspolitik.

Eine dritte Militärstruktur in der EU, zusätzlich zu den nationalen Armeen und den NATO-Einheiten, mit zusätzlicher Aufrüstung, in Mannschaftsstärke, militärischem Gerät wie Panzer oder Lenkwaffen, ist keine Lösung. Die enormen Kosten dafür schaffen keinen Frieden, sondern verschärfen bestehende Konflikte.

Für die internationale Sicherheit sollte die UN-Charta oberste Richtschnur der EU bleiben. Die österreichische Neutralitätspolitik und die europäische Sicherheitspolitik sollten die Exekutivgewalt der UNO-Behörden und die Diplomatie in der OSZE stärken. Eine engagierte Neutralitätspolitik muss sich auf den Abbau von Konflikten und auf konstruktive Vorschläge für nachhaltige, umfassende Sicherheit konzentrieren. Das menschliche Sicherheitsbedürfnis umfasst auch soziale Sicherheit, sowie den Schutz vor den Folgen der Klimakrise.

All das muss im Zentrum einer umfassenden Sicherheits- und Friedenspolitik stehen. Doch während die EU ihre Fiskalregeln für Aufrüstung aufweichen will, werden Klimaschutz und soziale Nachhaltigkeit dem Rüstungszwang untergeordnet. All das verunsichert die Menschen. Diese Unsicherheit stärkt Rechtsextreme und menschenfeindliche Kräfte und sie bedrohen unsere Demokratie.

 

Kurzbiografie:

Dr.in Jacqueline JERNEY ist Ökologin und engagiert sich im Vorstand der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation (NGO) von Attac[1] Österreich.

 

[1]Attac steht für "Association pour une taxation des transactions financières et pour l'action citoyenne", zu Deutsch "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen und für aktives zivilgesellschaftliches Handeln."